Alina Stürck
16. Dezember 2024 | 5 Minuten zu lesen

Architekturarbeit gemeinsam gestalten

Wie die DB Systel mit LASR zu mehr Klarheit, Beteiligung und Qualität fand

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DB Systel: Digitalisierung für den Gesamtkonzern

Die DB Systel ist der Digitalisierungspartner der Deutschen Bahn. Mit rund 7.000 Mitarbeitenden unterstützt das Unternehmen den Gesamtkonzern bei der digitalen Transformation. Gearbeitet wird in einem offenen Netzwerkmodell mit selbstorganisierten Teams, die eigenverantwortlich digitale Produkte entwickeln und betreiben – agil, technologiegetrieben und kundenzentriert.

Eines dieser Teams entwickelt ein webbasiertes Informationssystem, das im europäischen Güterverkehr der DB Cargo eingesetzt wird. Das System bündelt Daten aus unterschiedlichen Quellen, unterstützt Disponent:innen bei der Planung und Steuerung von Transporten und ist essenziell für die operative Transparenz in einem hochkomplexen Umfeld. Diese Fallstudie blickt aus der Perspektive des Teams auf die Erfahrungen mit LASR - vom ersten Kontakt bis zur Nachbetrachtung der ersten Anwendung.

Ausgangslage

Viel Verantwortung – wenig gemeinsamer Blick auf Architektur

Wir arbeiten in einem zehnköpfigen Team. Unser System unterstützt Disponent:innen dabei, Transporte effizient zu steuern und zu überwachen. Es handelt sich um eine datenintensive Web-Anwendung auf Basis von Java, Spring Boot und Angular – mit vielen Listenansichten, Echtzeitinformationen und unterschiedlichen Quellsystemen.

Nach über drei Jahren Entwicklung war unser System stark gewachsen: sechs Services, zahlreiche Schnittstellen, kontinuierlicher fachlicher Ausbau. Gleichzeitig bildeten sich gewisse Know-how-Inseln und nur einzelne Kolleg:innen überblickten das Gesamtsystem und dessen Architekturidee. Das Team ist technisch versiert, aber in der Kommunikation eher zurückhaltend. Verstärkt wurde dies durch eine langjährige Remote-Arbeitsweise, die informelle Gespräche und spontane Diskussionen über Architektur erschwerte. Im Team gab es zunehmend kritische aber oft unspezifische Rückmeldungen zur Qualität der Software.

Wir suchten daher gezielt nach einer Methode, die es uns ermöglichen würde, Qualitäts- und Architekturfragen gemeinsam zu adressieren und alle Teammitglieder aktiv einzubinden. LASR – der Lightweight Approach for Software Reviews – wirkte wie das strukturierte aber niedrigschwellige Format, das wir suchten, um Architekturthemen ins Team zu holen.

LASR-Steckbrief

   Teilnehmende: 8 Personen

   Organisationsebene: Team

   Zeitaufwand:

  • Verstehe was Dich speziell macht (Schritte 1-2): 60min
  • Durchleuchte die Architektur (Schritte 3-4): 90min + 90min
  • Extrazeiten: 30min TODOs und nächste Schritte

   Ergebnisse:

  • Identifizierte Risiken: 8
  • Größte Lücken: Wartbarkeit, Funktionale Eignung

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Unsere LASR-Erfahrung

Wir wollten möglichst alle Beteiligten physisch an einen Tisch bringen, zur Teilnehmergruppe gehörte auch unsere PO. Wir haben uns auf den Kern von LASR beschränkt, also ohne Konfidenzerhöhung mit LASR+ und uns insgesamt 5 Stunden Zeit dafür genommen.

Schritt 1 - Schlankes Mission Statement

Das Mission Statement mussten wir nicht komplett neu erfinden, in die Richtung gab es schon etwas. Wir haben den vorhandenen Text ausführlicher formuliert und etwas ausgeschmückt. Der erste Satz lautete “Überwache Transporte auf einen Blick von Start bis Ziel mit intelligent kombinierten Fahrplänen im In- und Ausland.“

Schritt 2 - Bewertungsmaßstab

Für die Bestimmung der Top-5 Qualitätsziele haben wir den Top-5-Challenger leicht angepasst. Nach dem Auslegen der zufälligen Top-5 Zielkarten, wurden die restlichen Kandidaten-Karten in der Gruppe verteilt. Jede/r sollte als Einstieg in eine Diskussion für die eigene(n) Karte(n) sagen, ob sie eingetauscht oder zur Seite gelegt werden sollte(n). Das hatte zum Ziel, alle von Anfang an aktiv zu involvieren.

Die fünf Qualitätsziele, die wir auf diese Weise für unseren Bewertungsmaßstab ermittelt haben, waren Benutzbarkeit, Zuverlässigkeit, Betreibbarkeit, Funktionale Eignung und Wartbarkeit. Wir haben nebenbei ein paar Stichworte auf Post-its notiert um später auch in der Dokumentation festzuhalten, warum wir diesen Bewertungsmaßstab so gewählt haben. Die Spinnennetzgraphik zeigt sie mit den betreffenden Zielwerten.

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Schritt 3 - Basis Review

Um die Standardrisikokarten auszudünnen und auch dabei möglichst viele Menschen zu involvieren, haben wir die 8 Kategorien jeweils einer beteiligten Person zugewiesen und ihr die 4 zugehörigen Risikokarten gegeben. Der “Besitzer” durfte dann vorschlagen, wie viele Karten davon “mitspielen” sollten. In manchen Kategorien sind alle 4 Risikokarten, in anderen nur 2 Risikokarten im finalen Deck gelandet. Das Deck wurde gemischt und zufällig an alle Teilnehmenden verteilt.

Der Rest des Basis-Reviews folgte dem Standard-Vorgehen, unten seht ihr ein Foto aus dem Workshop. Direkt ein Tipp: Wir hatten einen etwas zu kleinen Tisch – das Minimum ist 1x1m, etwas Extraplatz zum Post-It schreiben ist sicher gut.

Für die Einordnung konkreter Risiken (nach Schadenhöhe und Eintritsswahrscheinlichkeit) haben wir Timeboxen von 3-5 Minuten zugelassen und auch Notizen gemacht. Das Ergebnisdiagramm ist im Steckbrief zu sehen - wir haben großen Lücken bei Wartbarkeit und Funktionaler Eignung identifiziert.

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Schritt 4 - Zielorientierte Analyse

Hier haben wir tabellarisch Stärken und Schwächen gesammelt. Diesen haben wir die tangierten Qualitätsmerkmale zugeordnet und auch die Software-Komponenten identifiziert, die es betrifft. Im Anschluss haben wir die Schwächen zudem priorisiert.

Was ist daraus entstanden?

Stärken und Schwächen haben wir im Nachgang noch feiner detailliert und in unserem JIRA erfasst. Bei uns gibt es regelmäßige “Qualitäts-Sprints”, die wir nun dafür nutzen, diese Erkenntnisse abzuarbeiten – das haben wir schon zweimal gemacht.

Wir arbeiten aktuell immer noch mit dieser Liste von Stärken und Schwächen, die wir in dem LASR-Workshop initial erarbeitet haben.

Erkenntnisse und Tipps

Rhythmus: Software ist ja ein lebendes Produkt. Wir beabsichtigen in Zukunft ca. einmal im Jahr einen LASR-Workshop durchzuführen. Etwas gekürzt, weil alle die Methode kennen.

Spielkarten: Die Karten funktionieren richtig gut. Selbst die Beteiligten, die sonst wirklich enorm zurückhaltend sind, haben die lebendigen Illustrationen und die Haptik motiviert beizutragen. Auch der Top-5 Challenger Spielmechanismus hat gut aktiviert und Ideen gegeben. Das war für unsere Ausgangslage genau richtig.

Vorbereitungszeiten: Pro Schritt brauchten wir ca. 10 Minuten Vorbereitungszeit, bzw. Puffer. Darin haben wir die Schritte eingeführt bzw. Timeboxen etwas erweitert falls nötig. Für uns war es sehr wertvoll, sich die Zeit zu nehmen, über wichtige Erkenntnisse ausreichend zu diskutieren.

Ergebnis: Das Ergebnis nach unserem Halbtag war noch etwas oberflächlich, aber die Risikothemen waren nach dem Workshop bekannt und wir konnten die Details in unseren Qualitäts-Sprints gut nacharbeiten. LASR hat uns viel Futter dafür gegeben!

"Die Risikothemen waren nach dem Workshop bekannt und wir konnten die Details in unseren Qualitäts-Sprints gut nacharbeiten."

Alina Stürck
Alina Stürck

Business Engineer